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Die große Hitze, oder die Errettung Österreichs durch den Legationsrat Dr. Tuzzi - pp 148-149

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Der Gedanke, nach diesem unfruchtbaren und auf lächerliche Weise demütigenden Gespräch gleich wieder den Anblick der Twarochschen Akten erdulden zu müssen, zwang seine Schritte geradezu in die demonstrativ entgegengesetzte Richtung, die Lange Gasse hinunter und dann rechts in die Universitätsstraße hinein. Das Allgemeine Krankenhaus, niedrig und langgestreckt, schräg gegenüber einer Kirchenfront mit zwei grünen Barockzwiebeln – in Tuzzi stiegen Kindheitserinnerungen auf: das war die Alserkirche, in der seine Mutter den heiligen Antonius zu verehren pflegte. Er war seither, mehr als drei Jahrzehnte lang, wie er berechnete, nicht hierhergekommen, aber noch während er das kalkullierte, führten ihn seine Füße auf den längst bergessen geglabten Kindheitsweg neben dem Hauptportal in den Gang hinein, an dessen Ende die Antoniuskapelle im Licht vieler kleiner Kerzen schimmerte. Es herrschte geräuschloses, aber emsiges Gebetstreiben, denn die Kapelle war überrarschend gut besucht. Tuzzi sah gebeugte Knie, andächtig geschlagene Kreuzzeichen und unhörbare Gebete mumelnde Lippen. Diese Begegnung mit einer bescheidenen Frömmigkeit rührte ihn, und er versuchte ernsthaft, sich das Gesicht seiner Mutter in Erinnerung zu rufen, wie sie, nach ihren heroischen Ohrfeigenverleihungen, hier gekniet und in gesammelter Andacht auch die Lippen bewegt hatte. Aber es gelang ihm nicht, und das Erinnerungsbild zerann, kaum daß es in seinem inneren Auge halbwegs Kontur angenommen hatte, im flackernden Kerzenschein. Und die gipserne Statue des heiligen Antonius hatte leider eine unverkennbare Ähnlichkeit mit einem zazarenisch veredelten Ministerialrat Dr. Twaroch. Tuzzi schlenderte, nicht erleichtert, durch den anschließenden Kreuzgang, dessen Wände von einer langen und offenbar bisweilen erfolgreichen Heiligenverehrung zeugten, denn einige Wände waren dicht bekleidet mit gleichförmigen Marmortafeln, steinernen Beglaubigungen gnädiger Heiligenhilfe. Die meisten stammten noch aus den Zeiten der Monarchie und sagten ihren Dank in vielen Sprachen: Dzienkuje, sv. Antonius, Grazie, San Antonio, Danke, heiliger Antonius, vielen Dank und hilf weiter, Köszenem szépen, Szent Antal. Es gab aber auch Tausende Inschriften jüngeren und jüngeren Datums, an weiße Mauerteile mit Bleistift und Kuli, auch mit Lippenstiften hingekritzelte Stoßgebete aus großer Leib- und Seelenbedrängnis. „Heiliger Antonius, bitte hilf mir, laß mich nicht mit meinem Kind stehn, führe ihn zur Einsicht, ich halte es so nicht mehr aus“, stand da und „L. H. Antonius, hilf mir doch zu einem Baby!“ und kaum eine Spanne weiter in anderer Schrift: „Heiliger Antonius, gib, daß ich kein Kind krieg'!“ Die Nähe des großen Krankenhauses und des Landesgerichtes machten sich in vielen Hilferufen geltend: „Hilf mir, ich ertrage den Schmerz nicht länger“ und „Bitte, schütze mich in meinem Prozes daß ich nicht schuldig gesprochen werden, bitte filmals“.
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Modena-Park-Gegend oder „Viertel“ (in Wien III.), heute alles versaut. Man baut. Man macht Garagen. Immer ist wieder was nötig, bis alles total verdreckt ist. Das kommt von den Tätigen her. Und wenn nicht Jeder tätig wär', verfaulte und versumpfte alles. Die Tätigkeit ist unser aller heilloses Heil, das einzig mögliche. Dabei großenteils glatter Unsinn. Die Tätigkeit kann man nur beherrschen, wenn sie kein Mittel der Flucht vor der Apperception ist. Wird sie aber ein solches Mittel, so wird sie zum dahinrasenden Vehikel, und wir werden zuletzt unfähig sein, es zu steuern und diesem ganzen Unfug überhaupt zu steuern.
pp 241 from Repertorium: ein Begreifbuch von höheren und niederen Lebens-Sachen by Heimito von Doderer

Near fragment in space

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Zwei Wochen später ging Alexej von Repin durch das Häuserlabyrinth der Josefstadt. Er schlenderte ohne Plan oder Ziel, er flanierte nur so vor sich hin. Er wanderte die Lazarettgasse entlang, die wohl deshalb so hieß, weil das Krankenhaus gleich hinter ihr lag, bog nach links in die Pelikangasse ab (vorbei an einer großen Metzgerei, die, wie die hebräischen Schriftzeichen in ihrem Schaufenster verrieten, mehr wahr als nur koscher, nämlich "glattkoscher"), überquerte die Alserstraße, ließ willenlos zu, dass seine Füße ihn die Kochgasse entlangtrugen (hier kam Alexej ein Pulk von Talmudschülern entgegen, nicht umsonst hieß die Leopoldstadt "Mazzesinsel"); er bog am Post- und Telegrafenamt (eigentlich seltsam, dass es so hieß, telegrafierte denn heute noch jemand?) wiederum links in die Florianigasse ein und spazierte am Schönbornpark vorbei (einer angestaubten grünen Oase in diesem steinernen Meer); und dann, während hinter ihm rostrot das Tageslicht im Westen versank, folgte er der Straße einfach immer weiter auf den Ring und die Innere Stadt zu.
pp 48 from Der Komet by Hannes Stein