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Zeit der Idioten - pp 1

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Kurz vor Mitternacht habe ich meinen alten Walkman genommen und bin hierhergelaufen. Die letzte U-Bahn ist um fünfzehn nach durchgefahren. Ich bin dann runter auf die Geleise, ein Stück gegangen und habe mich im Tunnel versteckt. Das hat funktioniert. Verrückt, oder? Aber das hier ist Wien und nicht New York. Immer schön gemütlich, meine Herrschaften. Die haben ihre Kontrollrunden gedreht und ich habe einfach die Luft angehalten. Ich könnte jetzt sofort den blöden Stephansdom in die Luft jagen, wenn ich auch so ein Idiot wäre. Bin ich aber nicht. Ich habe mich für den Stephansplatz entschieden, weil es in dieser U-Bahnstation stinkt, als ob Leichen unter den Rolltreppen oder in die Wände eingemauert wären.
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Und sie haben dich nichts gefragt?
Nichts, gar nichts. Wahrscheinlich war ich ihnen zu klein. Wenn ich dreizehn, vierzehn Jahre gewesen wäre, hätte sich mich wahrscheinlich schon etwas gefragt.
Die Gestapo-Männder waren Wiener. Auch viele Deutsche waren da, aber das waren Wiener. Wie halt eine Hausdurchsuchung vor sich geht, haben sie alle Sachen herausgeschmissen, aber sie waren nicht auffallend brutal. Sie haben ihn einfach genommen und sind gegangen
Sie haben also auch nicht zugeschlagen?
Nein. Das ist dann erst am Morzinplatz gekommen. Nach der Verhaftung haben wir ja nicht gewusst wo er ist. Kein Lebenszeichen, nichts. Meine Mutter ist immer wieder auf die Gestapo am Morzinplatz gegangen: keine Auskunft. Als sie wieder einmal bei der Gestapo war, wurde ein Häftling aus einem Verhörzimmer geschleift – ohnmächtig und blutverströmt. Ob es ein Bekannter war, hat sie nicht gewusst, so entstellt war er.
pp 42-43 from Der Kopf meines Vaters: Wien von der NS-Zeit bis zur Gegenwart - Eine Zeitzeugin erzählt by Luis Stabbauer

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Ich fahre in die Stadt, das sagen nur Leute, die in der Stadt wohnen, noch tiefer in die Stadt, ins Zentrum, zum Stephansplatz. Ich finde keinen Parkplatz, bin aber spät dran, sehr spät, der nächste Termin, ich stelle das Auto auf den Gehsteig, ist doch wirklich egal, Geld habe ich ja. Ich laufe los, suche die Straße, wo ist der verdammte Plan, jede Ecke sieht für mich gleich aus, das ist so. Kurz zuvor: ich sitze im Auto, schaue in die Gegend, tippe auf den Stadtplan, überlege mir genau, wo ich hin muss, was ich da soll, wie lang es dauern wird, wo ich parke, wer ich bin. Dann fahre ich los, vergesse alles, habe nie existiert, komme an, viel zu spät, es ist mir egal, nerven, das tut es trotzdem.
pp 37-38 from stillborn by Michael Stavarič