Arrows_down
Arrows_up
« Back to Malina

Malina - pp 57-58

Quote
"Aber heute werden wir, weil es der erste warme Tag ist, ins Gänsehäufel fahren. [...] In Ivans kurzer freier Zeit liegen wir im Gras, auf der Liegewiese in der Badeanstalt Gänsehäufel unter einer schwachen Sonne, ich hab mein kleines Tachenschachspiel mitgenommen,und nach einer Stunde voll Stirnrunzeln, Abtauschen, Rochaden, Gardez, mehrmaligen Warnungen >Schach< kommen wir wieder zu einem Patt."
  Malina
  57
  58
  No
  Yes
  No
  No
  (none)
  Gänsehäufel

Near fragment in time

Quote
Auf "Aufriß" zu gehen wurde in der der 3b bald zur erklärten Freizeitbeschäftigung Nummer eins. Auch Hicke und mir schien das aktive Akquirieren von Weiblichkeit die einzige Chance, unseren kümmerlichen Schatz an erotischer Erfahrung zu bereichern. Was bei getrennten Klassen, Unmengen an Hausaufgaben und Ausgang bis achtzehn Uhr schwierig war. Nur die Wochenenden boten Chancen, Witterung aufzunehmen und frisches Wild zu erspähen. Das Problem daran war nur, daß sich weder Siegfried noch ich je getraut hätten, zwei kichernd dahinspazierende Mädchen auf offener Straße anzusprechen. Daher wählten wir in stummem Einverständnis für unsere Wochenend-Streifzüge nicht das belebte Menschengewirr der Innenstadt, wo Steinmenger & Co wilderten, sondern verzogen uns in die verlassenen Gassen von Hernals, diese stundenlang durchstreifend. Im Normalfall trafen wir demnach auf taubenfütternde Pensionistinnen und - an guten Tagen - auf bekopftuchte Kroatinnen, die ihre Kinderwägen durch die Sommersonne schoben. Von knackigen Mädels weit und breit keine Spur. Beruhigt schüttelten wir uns gegen sechtzehn Uhr an der Straßenbahnhaltstelle Elterleinplatz die Hände, einander gegenseitig versichernd, daß wohl höhere Mächte gegen uns gewesen waren.
pp 123-124 from Mamy blue. Eine Pop-Odyssee aus Wien. by Norman Weichselbaum

Near fragment in space

Quote
In einem Café trank sie eine süße Limonade, die ihren Durst mehr anfachte als stillte. Sie wäre gerne ins Gänsehäufel schwimmen gegangen, stattdessen setzte sie sich in das völlig überhitzte Auto und fuhr Richtung Polizeikommissariat. Das war wie ausgestorben, der Portier grüßte sie träge, die Gänge waren leer. Anna fuhr den PC hoch und gab in die interne Datenbank den Namen »Alfred Bachmüller« ein. Kein Treffer. Nichts. Keine Verkehrsstrafe, keine Steuergeschichte, kein Nachbarschaftsstreit. Sie loggte sich in die Datei des Meldeamtes ein und fand schließlich einen Eintrag. Alfred Bachmüller, geboren am 19. 11. 1956 in Innsbruck. Seit 1. 10. 1999 wohnhaft in Salchenberg 78, 3245, Nebenwohnsitz seit 2005: Florianigasse 45, 1080 Wien. Bei Google sah die Sache etwas anders aus. Mehrere tausend Einträge, ganz oben eine schicke, dezente Webseite: »Weingut Bachmüller«. Der Betrieb hatte ungefähr fünf Hektar Grund und produzierte 50000 Flaschen Wein im Jahr. Ausschließlich Weißweine, und fast jedes Jahr gewann Bachmüller mit seinen Weinen internationale Preise. Auf den Bildern sah man lediglich den Keller und ein paar Weinstöcke, Bachmüller selbst war auf keinem Foto zu sehen. Als Anna auf den Menüpunkt »Vertrieb« klickte, öffnete sich eine überschaubare Liste. Ganz oben standen die Weinhandlung am Wiener Gürtel und das Berliner Lokal mit dem seltsamen Namen Weder-Noch, das ihr schon in Bachmüllers Rechnungsbuch aufgefallen war. Ansonsten präsentierte sich die Liste eindrucksvoll international: Salzburg, London, Los Angeles, Paris. Am Ende der Seite stand unübersehbar ein Satz, der Anna stutzig machte: »Unsere Weine können Sie nur an den angegebenen Adressen erwerben, kleine Mengen können Sie auch per E-Mail bestellen. Kein Ab-Hof-Verkauf!« Tja, Bachmüller hatte es wohl gerne ruhig in seinem Weinviertler Dorf und keine Lust, sich von geschwätzigen Hobbysommeliers besuchen zu lassen. Die weiteren Einträge in der Suchmaschine waren Beiträge über Bachmüllers Wein oder Texte, die Bachmüller selbst publiziert hatte. Wie der Pfarrer bereits erwähnte, hatte Bachmüller eine kleine Kolumne in der Salchenberger Kirchenzeitung, die zu Annas Verwunderung auch zur Gänze im World Wide Web veröffentlicht war. Anna überflog ein paar Artikel und fand sie mäßig interessant. Sehr schwülstig, viel zu viele Adjektive, er ließ sich über den Lauf der Jahreszeiten aus, über die Kraft der Natur, die braune Erde, die grünen Reben. Bachmüller hatte fast ein wenig etwas von einem Heimatdichter, nur ein wenig zu deutsch – ohne dass Anna sagen konnte, woran sie das festmachte. Danach las sie einen Artikel über Bachmüllers Weingut. Er war 2008 im Standard-Rondo erschienen, der Hochglanz-Wochenendbeilage der Tageszeitung für Intellektuelle. Sie überflog den Text rasch, stellte fest, dass er wieder kein Foto des Verstorbenen enthielt, und druckte ihn aus.
pp 89-90 from Bis zur Neige - Ein Fall für Berlin und Wien by Petra Hartlieb, Claus-Ulrich Bielefeld