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Die Stadt ohne Juden - pp 101-102
Im Januar vereinigten sich mehrere große Konsumentenorganisationen zu einer Massenversammlung in der Volkshalle des Rathauses unter der Devise: »Wir können nicht weiter!« Zehntausende von Menschen waren der Einladung gefolgt und trotz der außerordentlichen Kälte standen vor dem Rathaus ungeheure Menschenmassen, die in der Volkshalle nicht mehr Platz gefunden hatten.
Die Versammlung bot ein merkwürdiges Bild. Leo Strakosch, der sich ebenfalls eingefunden hatte, konstatierte, noch niemals so viele vollbärtige Männer gesehen und noch nie so viele Heilrufe gehört zu haben. Eine andere Staffage und man hätte an eine Tiroler Bauernversammlung zur Zeit des Andreas Hofer denken können. Auch Weiblichkeit war massenhaft vertreten, aber wahrhaftig nicht die lieblichste, die Wien aufzuweisen hat. Unter allgemeinem Heil-Gebrüll eröffnete der Apotheker Doktor Njedestjenski die Versammlung mit der Feststellung, daß es so nicht weitergehen könne. Er vermied es sorgfältig, die Notlage und Teuerung mit der Judenausweisung in Zusammenhang zu bringen, sondern gab sich höchst deutschnational und behauptete, nur die Tatsache, daß Oesterreich sich nicht an Deutschland anschließen könne, sei schuld an dem jammervollen Niedergang Wiens. Worauf ein Arbeiter unter schallender Heiterkeit dazwischen rief:
»Wir können uns ja gar nicht mehr anschließen, oder glauben Sie, daß die Deutschen auch solche Trotteln wie wir sind und ihre Juden hinausschmeißen werden?«
Die Versammlung bot ein merkwürdiges Bild. Leo Strakosch, der sich ebenfalls eingefunden hatte, konstatierte, noch niemals so viele vollbärtige Männer gesehen und noch nie so viele Heilrufe gehört zu haben. Eine andere Staffage und man hätte an eine Tiroler Bauernversammlung zur Zeit des Andreas Hofer denken können. Auch Weiblichkeit war massenhaft vertreten, aber wahrhaftig nicht die lieblichste, die Wien aufzuweisen hat. Unter allgemeinem Heil-Gebrüll eröffnete der Apotheker Doktor Njedestjenski die Versammlung mit der Feststellung, daß es so nicht weitergehen könne. Er vermied es sorgfältig, die Notlage und Teuerung mit der Judenausweisung in Zusammenhang zu bringen, sondern gab sich höchst deutschnational und behauptete, nur die Tatsache, daß Oesterreich sich nicht an Deutschland anschließen könne, sei schuld an dem jammervollen Niedergang Wiens. Worauf ein Arbeiter unter schallender Heiterkeit dazwischen rief:
»Wir können uns ja gar nicht mehr anschließen, oder glauben Sie, daß die Deutschen auch solche Trotteln wie wir sind und ihre Juden hinausschmeißen werden?«
Near fragment in time
Inmitten der Inneren Stadt ein Platz "Am Hof". Dort steht - natürlich - ein Bankgebäude. Eine eingemeißelte Steintafle neben dem schattigen Durchhaus verkündet: "An dieser Stelle stand ein Hof der Babenberger, Markgrafen und Herzoge, später für die herzogliche Münze verwendet. Das Haus wurde 1386 den Karmelitern übergeben, kam 1654 in den Besitz des Jesuitenordens und war, zum Kriegsgebäude umgebaut, 1775 - 1913 Sitz der Obersten Kriegsbehörde, zuletzt des Kriegsministeriums." Der "Hof" stand nicht nur im Mittelpunkt der Stadt, er steht im abstrakten Sinn auch im Mittelpunkt des Interesses. Hofnachrichten, das heißt über Mitglieder des kaiserlichen Hauses, sind noch in der Republik am liebsten angehört.
pp 120-121 from Wien by
Near fragment in space
Mit Nikolaus H. gehe ich ins Rathaus, um die neuen Leute kennenzulernen. Der Stadtrat für Kultur, den wir aufsuchen, war in Dachau mit ihm, wie übrigens die meisten jener anderen Beamten, die nach und nach das Zimmer betreten. Sie gehören allen drei Parteien an, aber die alten KZler tragen den gleichen Knopf am Aufschlag.
pp 88 from Rückkehr nach Wien by