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Die Arbeit der Nacht - pp 290-
Während er zu den Katakomben hinabstieg, versuchte er sich in Erinnerung zu rufen, was er aus seiner Schulzeit und früheren Besuchen noch über den Ort wußte. Viel war es nicht. Er erinnerte sich, daß es zwei Teile gab. Die alten Katakomben aus dem 14. Jahrhundert und die neueren aus dem 18. Der ältere, in dem die Karidnalsgruft lag, befand sich unter der Kirche, der jüngere bereits etwas außerhalb ihres Bereichs. Im Mittelalter hatte dieser Ort als Stadtfriedhof Wiens gedient, der aus Platzmangel dann aufgelassen worden war.
Near fragment in time
Als Anna in der Berggasse angekommen war, klingelte ihr Handy. Die Büronummer. »Hey Robert. Ich bin ja schon im Haus. Ich geh nur noch schnell aufs Klo, dann komm ich hoch.« »Ich bin’s, Kratochwil. Frau Habel, machen Sie schnell. Es gibt was Neues.« Gabi Kratochwils Stimme kam leise und verhalten aus dem Telefon. Anna spürte die Aufregung der jungen Beamtin. »Ja, gleich. Ich komme.« Anna verzichtete auf die Toilette und rannte ins Büro. »Schauen Sie mal.« Gabi Kratochwil klebte fast an ihrem Bildschirm, und Anna zog sich einen Stuhl heran. Ein Schwarzweißfoto, darunter eine kleine Bildunterschrift. Karl-Heinz Poppe, zur Fahndung ausgeschrieben seit dem 25. März 1995. Besitzer eines Antiquariats in Berlin, Friedelstraße 45. Es wird vermutet, dass er circa zwei Jahre nach der Gründung in die Gruppe Revolutionärer Kampf eingetreten ist. »Jetzt schau’n Sie doch mal genau hin.« Anna konzentrierte sich und betrachtete das Gesicht des Mannes. Gabi Kratochwil hackte ein wenig auf der Tastatur ihres PCs herum, das Foto wurde kleiner, und daneben klappte das Bild Freddy Bachmüllers auf. Anna fiel es wie Schuppen von den Augen. Die hohe Stirn, die geschwungenen Lippen. Karl-Heinz Poppe trug einen fusseligen Bart und lange Haare, er blickte direkt in die Kamera, und seine Haut wirkte unnatürlich blass. Daneben Bachmüller. Haare kurz, Gesicht voller, die gleichen Lippen, es war eindeutig. Gesünder und attraktiver, doch ohne Zweifel: Vor ihnen lag zweimal das Porträt von Freddy Bachmüller alias Karl-Heinz Poppe. »Mensch, Frau Kratochwil, das ist der Hammer! Wo haben Sie das denn her?« »Da hat ein Herr Bernhardt aus Berlin angerufen, der hat irgendwas von einer DNA gesagt und dass sie jetzt eine Identität haben. Und dann hat er dieses Bild geschickt.« »Unglaublich. Ein untergetauchter Terrorist im Weinviertel. Ich fass es nicht. Wo ist denn Kolonja?« »Im Verhörzimmer mit Uschi Mader.« »Immer noch?« »Ja, die kam erst so spät hier an. Anzengruber hat sich ein wenig quergestellt.« »Tja, der arme Winkeladvokat hat wohl wenig Erfahrung mit Suchtgiftdelikten. Aber ich glaube, als Mordverdächtige können wir sie laufen lassen, das war ja wohl eine Nummer größer. Mailen Sie gleich mal alles, was Sie da aus Berlin bekommen haben, an Hofrat Hromada und – Frau Kratochwil?« »Ja, Frau Habel?«
pp 389-390 from Bis zur Neige - Ein Fall für Berlin und Wien by
, Near fragment in space
Eine Strategie! Ja, dachte Breuer auf dem Heimweg im Fiaker, es wurde höchste Zeit, dass auch er sich eine Strategie überlegte. So sehr war er damit beschäftigt gewesen, Nietzsche in die Falle zu locken, dass er bislang keinen Gedanken daran verschwendet hatte, wie er den Fang zähmen sollte, der nun auf Zimmer 13 der Lauzon-Klinik festsaß. Während der Fiaker schwankte und holperte, wandte sich Breuer also strategischen Überlegungen zu. Ein schöner Schlamassel; Anhaltspunkte gab es keine, geschweige denn Schulfälle. Er müsste eine vollkommen neue Behandlungsmethode erfinden. Am besten, er besprach die ganze Sache mit Freud; der begrüßte jede solche Herausforderung. Breuer bat Fischmann, am Spital anzuhalten und Doktor Freud ausfindig zu machen.
Das Wiener Allgemeine Krankenhaus, in dem Freud als Aspirant klinische Erfahrung für die spätere eigene Praxis sammelte, glich einer Stadt in der Stadt: In einem Dutzend Gebäudekarrees mit jeweils geschlossenem Hof, von welchen jedes eine eigene Abteilung beherbergte und welche alle durch ein Labyrinth unterirdischer Gänge miteinander in Verbindung standen, waren zweitausend Patienten untergebracht. Eine vier Meter hohe Mauer riegelte die Außenwelt ab.
Fischmann, mit den verschlungenen Wegen bestens vertraut, eilte von dannen, um Freud von seiner Abteilung zu holen. Minuten später schon kehrte er allein zurück. »Doktor Freud ist nicht im Hause. Doktor Hauser sagte mir, er wäre vor einer Stunde in sein Stammlokal gegangen.«
Das von Freud frequentierte Kaffeehaus, das Café Landtmann am Franzensring, lag nur wenige Straßenzüge entfernt, und dort traf Breuer seinen Freund auch an. Er saß allein vor einem Braunen und studierte ein französisches Literaturjournal. Im Café Landtmann verkehrten vorwiegend Ärzte, klinische Aspiranten und Medizinstudenten. Obschon weniger exklusiv als Breuers Stammcafé Griensteidl, abonnierte das Landtmann über achtzig Zeitungen und Zeitschriften, mehr vielleicht als jedes andere Wiener Kaffeehaus.
»Sigmund, lassen Sie uns auf eine Leckerei zu Demel gehen. Ich habe Neuigkeiten über den Migräne-Professor.«
Im Nu war Freud aufbruchsbereit. Er schwärmte leidenschaftlich für die illustre Wiener Hofzuckerbäckerei, konnte sich einen Besuch jedoch nur dann leisten, wenn er eingeladen wurde. Zehn Minuten darauf saßen sie an einem ruhigen Ecktisch. Breuer bestellte zwei Braune, ein Stück Schokoladenkuchen für sich selbst und für Freud Zitronencremetorte mit Schlag, welche dieser so gierig verschlang, dass Breuer seinen jungen Freund drängte, sich vom silbernen Kuchenwagen ein zweites Stück auszuwählen. [...] »Aber ja!« Breuer war begeistert. »Eine bedeutsame Einsicht!« Er ließ ein paar Kupferkreuzer auf dem Tisch liegen, und dann schlenderten er und Freud hinaus auf den Michaelerplatz. »Wenn mein Patient diesen anderen Teil in sein Ich aufnehmen könnte, wäre viel gewonnen. Wenn er einzusehen vermöchte, wie natürlich es ist, Trost von seinen Mitmenschen zu erhoffen, das genügte schon!«
Sie gingen den Kohlmarkt hinab und trennten sich dann im Gedränge am Graben. Freud schlug den Weg durch die Naglergasse zum Krankenhaus ein, Breuer schlenderte über den Stephansplatz Richtung Bäckerstraße. Die Nummer 7 lag schräg hinter den hochaufragenden romanischen Türmen des Westwerkes des Stephansdoms.
pp 217-226 from Und Nietzsche weinte by
Das Wiener Allgemeine Krankenhaus, in dem Freud als Aspirant klinische Erfahrung für die spätere eigene Praxis sammelte, glich einer Stadt in der Stadt: In einem Dutzend Gebäudekarrees mit jeweils geschlossenem Hof, von welchen jedes eine eigene Abteilung beherbergte und welche alle durch ein Labyrinth unterirdischer Gänge miteinander in Verbindung standen, waren zweitausend Patienten untergebracht. Eine vier Meter hohe Mauer riegelte die Außenwelt ab.
Fischmann, mit den verschlungenen Wegen bestens vertraut, eilte von dannen, um Freud von seiner Abteilung zu holen. Minuten später schon kehrte er allein zurück. »Doktor Freud ist nicht im Hause. Doktor Hauser sagte mir, er wäre vor einer Stunde in sein Stammlokal gegangen.«
Das von Freud frequentierte Kaffeehaus, das Café Landtmann am Franzensring, lag nur wenige Straßenzüge entfernt, und dort traf Breuer seinen Freund auch an. Er saß allein vor einem Braunen und studierte ein französisches Literaturjournal. Im Café Landtmann verkehrten vorwiegend Ärzte, klinische Aspiranten und Medizinstudenten. Obschon weniger exklusiv als Breuers Stammcafé Griensteidl, abonnierte das Landtmann über achtzig Zeitungen und Zeitschriften, mehr vielleicht als jedes andere Wiener Kaffeehaus.
»Sigmund, lassen Sie uns auf eine Leckerei zu Demel gehen. Ich habe Neuigkeiten über den Migräne-Professor.«
Im Nu war Freud aufbruchsbereit. Er schwärmte leidenschaftlich für die illustre Wiener Hofzuckerbäckerei, konnte sich einen Besuch jedoch nur dann leisten, wenn er eingeladen wurde. Zehn Minuten darauf saßen sie an einem ruhigen Ecktisch. Breuer bestellte zwei Braune, ein Stück Schokoladenkuchen für sich selbst und für Freud Zitronencremetorte mit Schlag, welche dieser so gierig verschlang, dass Breuer seinen jungen Freund drängte, sich vom silbernen Kuchenwagen ein zweites Stück auszuwählen. [...] »Aber ja!« Breuer war begeistert. »Eine bedeutsame Einsicht!« Er ließ ein paar Kupferkreuzer auf dem Tisch liegen, und dann schlenderten er und Freud hinaus auf den Michaelerplatz. »Wenn mein Patient diesen anderen Teil in sein Ich aufnehmen könnte, wäre viel gewonnen. Wenn er einzusehen vermöchte, wie natürlich es ist, Trost von seinen Mitmenschen zu erhoffen, das genügte schon!«
Sie gingen den Kohlmarkt hinab und trennten sich dann im Gedränge am Graben. Freud schlug den Weg durch die Naglergasse zum Krankenhaus ein, Breuer schlenderte über den Stephansplatz Richtung Bäckerstraße. Die Nummer 7 lag schräg hinter den hochaufragenden romanischen Türmen des Westwerkes des Stephansdoms.