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Die Klavierspielerin - pp 94

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"Erika K. wirft sich entschlossen in den Frühlingssturm und hofft, daß sie heil am anderen Ende herauskommen wird; es gilt, diesen offenen Platz vor dem Rathaus zu überqueren. Ein Hund neben ihr spürt ebenfalls den ersten Hauch des Frühlings."
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  Rathausplatz

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Auf "Aufriß" zu gehen wurde in der der 3b bald zur erklärten Freizeitbeschäftigung Nummer eins. Auch Hicke und mir schien das aktive Akquirieren von Weiblichkeit die einzige Chance, unseren kümmerlichen Schatz an erotischer Erfahrung zu bereichern. Was bei getrennten Klassen, Unmengen an Hausaufgaben und Ausgang bis achtzehn Uhr schwierig war. Nur die Wochenenden boten Chancen, Witterung aufzunehmen und frisches Wild zu erspähen. Das Problem daran war nur, daß sich weder Siegfried noch ich je getraut hätten, zwei kichernd dahinspazierende Mädchen auf offener Straße anzusprechen. Daher wählten wir in stummem Einverständnis für unsere Wochenend-Streifzüge nicht das belebte Menschengewirr der Innenstadt, wo Steinmenger & Co wilderten, sondern verzogen uns in die verlassenen Gassen von Hernals, diese stundenlang durchstreifend. Im Normalfall trafen wir demnach auf taubenfütternde Pensionistinnen und - an guten Tagen - auf bekopftuchte Kroatinnen, die ihre Kinderwägen durch die Sommersonne schoben. Von knackigen Mädels weit und breit keine Spur. Beruhigt schüttelten wir uns gegen sechtzehn Uhr an der Straßenbahnhaltstelle Elterleinplatz die Hände, einander gegenseitig versichernd, daß wohl höhere Mächte gegen uns gewesen waren.
pp 123-124 from Mamy blue. Eine Pop-Odyssee aus Wien. by Norman Weichselbaum

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Ein Automobil mit Herrn Habietnik, einem sozialdemokratischen Nationalrat und einem bekehrten Gemeinderat fuhr vor und die Herren teilten Leo mit, daß er unbedingt mit ihnen zum Rathause fahren müsse, um sich der dort versammelten Menschenmenge zu zeigen und eine Ansprache des Bürgermeisters zu erdulden.
Sträuben nützte nichts, Leo mußte mit, aber Lotte, die die Garantie dafür übernahm, daß sie rechtzeitig zum Abendessen zurück sein würden, fuhr mit ihm.
Bis zum Schottentor verlief die Fahrt ganz glatt, dann stellte sich ein Hindernis ein. Die Menschenmassen standen hier so dicht aneinandergedrängt, daß das Auto nicht vorwärts kam. Worauf sich der Gemeinderat hinausbeugte und in bester Absicht, wenn auch mit wenig Zartgefühl den Leuten zuschrie:
»Laßt's uns durch! Der Herr Leo Strakosch, der erste Jud, der wieder in Wien ist, muß zum Rathaus!«
Diese Worte waren das Signal zu einem stürmischen Jubelschrei, und das Auto konnte zwar nicht durch, sondern mußte hier mit Lotte warten, aber Leo saß auch schon auf den Schultern zweier handfester Männer und wurde unter dem Jauchzen und Johlen und Hurra-Geschrei der Massen zum Rathaus getragen.
Das schöne Rathaus war wieder illuminiert, sah wieder wie eine brennende Fackel aus und mühsam nur konnten sich die Männer mit Leo auf den Schultern Bahn machen. Fanfarenklänge, Trompetentöne, der Bürgermeister von Wien, Herr Karl Maria Laberl, betrat den Balkon, streckte segnend seine Arme aus und hielt eine zündende Ansprache, die mit den Worten begann:
»Mein lieber Jude!- - «
pp 139-140 from Die Stadt ohne Juden by Hugo Bettauer