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Die Klavierspielerin - pp 202

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"Der mit den Schutthalden von Erikas Gedanken vollkommen Zugeschüttete folgt der Person, der seine Gefühle gelten, die Josefstädterstraße hinan. Früher stand hier das größte und modernste Kino Wiens, das jetzt eine Bank beherbergt. Erika ist mit ihrer Mama zur Feier eines Feiertags manchmal hingegangen. Doch meistens besuchten die Damen, um Geld zu sparen, das kleine billigere Albertkino."
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Near fragment in time

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Zwei Wochen später ging Alexej von Repin durch das Häuserlabyrinth der Josefstadt. Er schlenderte ohne Plan oder Ziel, er flanierte nur so vor sich hin. Er wanderte die Lazarettgasse entlang, die wohl deshalb so hieß, weil das Krankenhaus gleich hinter ihr lag, bog nach links in die Pelikangasse ab (vorbei an einer großen Metzgerei, die, wie die hebräischen Schriftzeichen in ihrem Schaufenster verrieten, mehr wahr als nur koscher, nämlich "glattkoscher"), überquerte die Alserstraße, ließ willenlos zu, dass seine Füße ihn die Kochgasse entlangtrugen (hier kam Alexej ein Pulk von Talmudschülern entgegen, nicht umsonst hieß die Leopoldstadt "Mazzesinsel"); er bog am Post- und Telegrafenamt (eigentlich seltsam, dass es so hieß, telegrafierte denn heute noch jemand?) wiederum links in die Florianigasse ein und spazierte am Schönbornpark vorbei (einer angestaubten grünen Oase in diesem steinernen Meer); und dann, während hinter ihm rostrot das Tageslicht im Westen versank, folgte er der Straße einfach immer weiter auf den Ring und die Innere Stadt zu.
pp 48 from Der Komet by Hannes Stein

Near fragment in space

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In einem Café trank sie eine süße Limonade, die ihren Durst mehr anfachte als stillte. Sie wäre gerne ins Gänsehäufel schwimmen gegangen, stattdessen setzte sie sich in das völlig überhitzte Auto und fuhr Richtung Polizeikommissariat. Das war wie ausgestorben, der Portier grüßte sie träge, die Gänge waren leer. Anna fuhr den PC hoch und gab in die interne Datenbank den Namen »Alfred Bachmüller« ein. Kein Treffer. Nichts. Keine Verkehrsstrafe, keine Steuergeschichte, kein Nachbarschaftsstreit. Sie loggte sich in die Datei des Meldeamtes ein und fand schließlich einen Eintrag. Alfred Bachmüller, geboren am 19. 11. 1956 in Innsbruck. Seit 1. 10. 1999 wohnhaft in Salchenberg 78, 3245, Nebenwohnsitz seit 2005: Florianigasse 45, 1080 Wien. Bei Google sah die Sache etwas anders aus. Mehrere tausend Einträge, ganz oben eine schicke, dezente Webseite: »Weingut Bachmüller«. Der Betrieb hatte ungefähr fünf Hektar Grund und produzierte 50000 Flaschen Wein im Jahr. Ausschließlich Weißweine, und fast jedes Jahr gewann Bachmüller mit seinen Weinen internationale Preise. Auf den Bildern sah man lediglich den Keller und ein paar Weinstöcke, Bachmüller selbst war auf keinem Foto zu sehen. Als Anna auf den Menüpunkt »Vertrieb« klickte, öffnete sich eine überschaubare Liste. Ganz oben standen die Weinhandlung am Wiener Gürtel und das Berliner Lokal mit dem seltsamen Namen Weder-Noch, das ihr schon in Bachmüllers Rechnungsbuch aufgefallen war. Ansonsten präsentierte sich die Liste eindrucksvoll international: Salzburg, London, Los Angeles, Paris. Am Ende der Seite stand unübersehbar ein Satz, der Anna stutzig machte: »Unsere Weine können Sie nur an den angegebenen Adressen erwerben, kleine Mengen können Sie auch per E-Mail bestellen. Kein Ab-Hof-Verkauf!« Tja, Bachmüller hatte es wohl gerne ruhig in seinem Weinviertler Dorf und keine Lust, sich von geschwätzigen Hobbysommeliers besuchen zu lassen. Die weiteren Einträge in der Suchmaschine waren Beiträge über Bachmüllers Wein oder Texte, die Bachmüller selbst publiziert hatte. Wie der Pfarrer bereits erwähnte, hatte Bachmüller eine kleine Kolumne in der Salchenberger Kirchenzeitung, die zu Annas Verwunderung auch zur Gänze im World Wide Web veröffentlicht war. Anna überflog ein paar Artikel und fand sie mäßig interessant. Sehr schwülstig, viel zu viele Adjektive, er ließ sich über den Lauf der Jahreszeiten aus, über die Kraft der Natur, die braune Erde, die grünen Reben. Bachmüller hatte fast ein wenig etwas von einem Heimatdichter, nur ein wenig zu deutsch – ohne dass Anna sagen konnte, woran sie das festmachte. Danach las sie einen Artikel über Bachmüllers Weingut. Er war 2008 im Standard-Rondo erschienen, der Hochglanz-Wochenendbeilage der Tageszeitung für Intellektuelle. Sie überflog den Text rasch, stellte fest, dass er wieder kein Foto des Verstorbenen enthielt, und druckte ihn aus.
pp 89-90 from Bis zur Neige - Ein Fall für Berlin und Wien by Petra Hartlieb, Claus-Ulrich Bielefeld