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Das Vaterspiel - pp 338

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Als ich einmal in der Früh nicht mehr wusste, was ich am Vortag getan hatte, beschloss ich, mit dem Haschischrau-chen aufzuhören. Aber als ich dann am nächsten Abend be-trunken durch die Wohnung torkelte, dachte ich mir, so ein dumpfer Alkoholrausch ist mit den klaren Gefühlen eines Haschischrausches überhaupt nicht vergleichbar. Ich lebte in einer kleinen Mietwohnung in der Kettenbrückengasse. Sie war im letzten Stock des Hinterhauses gelegen. Von der Küche aus hatte ich einen kleinen eiserenen Balkon. Er reichte gerade, um ein Tischchen und einen Sessel hinaus-zustellen. Wenn es warm war, saß ich dort am Abend und rauchte meinen Joint. Vor mir waren nur die Wipfel von zwei Kastanienbäumen und die Toilettenfenster des Vor-derhauses. Wenn im Fernseher ein Fußballmatch übertra-gen wurde, konnte ich an den Toilettenfenstern erkennen, wann die Pause war. Es störte mich nicht, dass keines mei-ner Fenster auf die Straße hinausging. Manchmal schaute ich mir die Fernsehnachrichten an. Es gab neue Kriege, es gab neue Länder und es gab überall Flüchtlinge, die von einem Land ins andere weitergeschoben wurden. Ich dach-te mir, wenn Wien besetzt wird und in den Straßen Panzer patrouillieren, ich würde es in meinem Hinterhaus nicht einmal bemerken. Ich verließ die Wohnung nur, um einzu-kaufen oder wenn mich jemand anrief, weil er ein Compu-terproblem hatte.
  Das Vaterspiel
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  Kettenbrückengasse

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2.9 Morzinplatz
1., Morzinplatz
An der Stelle, an der heute dieses Mahnmal, steh befand sich das Hotel Metropol, das ab 1938 die Gestapoleitstelle Wien beherbergte. In dieses Hotel wurden nach dem „Anschluss“, die Gefangenen eingeliefert und verhört und gefoltert. Auch für viele Juden war dies die erste Station auf ihrem Leidensweg, zahlreiche Menschen wurden hier während der Verhöre zu Tode gequält. 1951 errichtete der KZ Verband ohne behördliche Bewilligung einen den Gestapo Opfern gewidmeten Gedenkstein. Die Stadt Wien nahm das Mahnmal in ihre Obhut und errichtete 1985 ein neues Mahnmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft und übernahm auch den Text, der von Wilhelm Steiner, dem Präsidenten des KZ-Verbandes, stammte: „Hier stand das Haus der Gestapo. Es war für die Bekenner Österreichs die Hölle. Es war für viele von ihnen der Vorhof des Todes. Es ist in Trümmer gesunken wie das Tausendjährige Reich. Österreich aber ist wiederauferstanden und mit ihm unsere Toten, die unsterblichen Opfer.“ Ein Block aus Mauthausener Granit und eine Bronzefigur sollen das Schicksal der KZ-Häftlinge symbolisieren. Typisch für die Gedenkkultur der Nachkriegszeit, die sich vor allem auf den demokratischen Grundkonsens der Versöhnung über die Parteigrenzen hinweg bezog, ist, dass die gefolterten, gedemütigten und ermordeten österreichischen Juden mit keinem Wort erwähnt werden, einzig der eingemeißelte gelbe Stern lässt erahnen, dass auch Juden zu diesen Opfern zählen.
pp 70 from Jüdisches Wien - Stadtspaziergänge by Michaela Feuerstein, Gerhard Milchram

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"Gleich halb vier", rief ich der Wie-spät-ist-es-Frau zu, die wie immer auf dem Fensterbrett im ersten Stock lehnte, im Nachthemd, das Haar wild zerzaust. Sie fragte jeden Passanten nach der Uhrzeit. Seit zehn Jahren wohnte ich inzwischen in der Kettenbrückengasse und hatte in dieser Zeit ungefähr tausend verscheidene Uhrzeiten vernommen. Wenn ich das Haustor aufsperrte, wenn ich mein Auto aufschloss, wenn ich einparkte, wenn ich ausparkte, wenn ich mich vor'm Haus unterhielt, wenn ich einkaufen ging und vom Einkaufen zurückkehrte - immer lehnte sie sich aus dem offenen Fenster und fragte: "Wie spät ist es?" Weil ich höflich war und immer noch Gast in diesem Land, antwortete ich ihr seit zehn Jahren jedes Mal, wenn sie mich fragte, auch wenn ich wusste, dass sie wenige Sekunden nachdem ich ihr die Uhrzeit gesagt hatte, den Nächsten fragen würde, der unter ihr die Straße entlangkam. Wenn ich undeutlich redete, zu beiläufig, genervt oder zu leise, setzte sie sofort mit einem schrillen "Wie bitte?" nach. Daher bemühte ich mich bald, stets laut und klar mit ihr zu sprechen.
pp 112 from 6 Österreicher unter den ersten 5 by Dirk Stermann