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Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre - pp 63

Sie hätte gerne alles erzählt, schlichthin alles: von damals angefangenm, als sie ihren Semski nicht hatte bekommen können, vor nun wirklich schon vielen, vielen Jahren bis zum heutigen Vormittage, wo ihr Ingrid Schmeller, sie sich jetzt als eine Frau von Budau schrieb, auf dem Graben begegnet war, nah der Ecke zum Stephansplatz, bei der Buchhandlung.
Near fragment in time

Als ich in Wien ankam, fühlte ich mich zu ermüdet, um sogleich ins Sanatorium zu fahren. Ich nahm einen Einspänner und fuhr ins Café Central. Ich hatte das Gefühl, daß der Zahlkellner Jean über alles viel besser informiert sein würde als jeder Arzt. Ich hatte mich nicht getäuscht. Rührend war die Freude dieses einfachen Menschen, als er mich erblickte. Er brachte mir sofort ein vollkommenes 'Wiener Frühstück' und erzählte mir alles über Peter. Dieses Mal schien es wirklich schlimmer denn je um ihn zu stehen. Er war mehrere Tage nicht aufgestanden und nicht im Central erschienen. Schließlich besuchte Karl Kraus ihn.(...) Dann rief ich Karl Kraus an, den zweiten Zuverlässigen. Auch an ihm habe ich niemals eine Enttäuschung erlebt. Er war ein Mensch, der Peter wirklich verstand und ihn liebte. Er wußte ihn nach seiner literarischen Bedeutung zu würdigen, vor allem aber war er ein selbstloser Freund. Ich traf ihn am Nachmittag im Café Imperial, wo wir nicht so beobachtet waren wie im Central. Als ich seinen freundlichen, warmen Blick auf mir ruhen fühlte, wurde mir leichter ums Herz.
pp 227-228 from Widerhall des Herzens. Ein Peter Altenberg-Buch by
Near fragment in space

Der Frühling kam heran, und am zweiten Osterfeiertage, früh am Nachmittag, erwartete Therese auf dem Stefansplatz die Gouvernante eines den Eppichs befreundeten Hauses, eine gutmütige, ziemlich verblühte Person, für die sie vom ersten Augenblick an nicht so sehr Freundschaft als Mitleid empfunden hatte. Das Fräulein ließ auf sich warten, und Therese vergnügte sich indes damit, die Vorübergehenden zu betrachten, die an diesem milden blauen Feiertag, alle wie von Sorgen befreit, irgendeinem heiteren Ziele zuzustreben schienen. An Liebespaaren war kein Mangel; Therese, ohne daß sich gerade Neid in ihr regte, empfand es als etwas lächerlich, daß sie hier nicht einen Liebhaber, sondern eine ältliche Gouvernante erwartete, mit der sie durch keinerlei Gemeinsamkeit als durch die Ähnlichkeit des Berufs verbunden war; und es wurde ihr vor dem bevorstehenden, voraussichtlich langweiligen Nachmittag, den sie mit ihr verbringen sollte, beinahe ängstlich zumut.
pp 85 from Therese. Chronik eines Frauenlebens by