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Der Fall des Lemming - pp 86-87

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Ein großer Zwiespalt tut sich jetzt im Lemming auf, ein schmerzhafter Riss zwischen Körper und Geist, zwischen knurrendem Magen und klarem Verstand. Ein anderer Leopold kommt ihm in den Sinn, nämlich Leopold Figl, der ehemalige österreichische Außenminister und so genannte Vater des Staatsvertrags, von dem es heißt, er habe einst Chruschtschow und Molotow unter den Tisch getrunken, habe sie regelrecht abgefüllt, sie weich gesoffen und die Sowjets auf diese Art zum Abzug ihrer Besatzungstruppen bewegt. «Österreich ist frei!», hat Figl am fünfzehnten Mai 1955 vom Balkon des Schlosses Belvedere gerufen, und noch heute weiß jedes Kind, dass das Land diese Freiheit seinem guten Wein zu verdanken hat. Aber was, wenn die Russen damals den süffigen Heurigen abgelehnt wenn sie auf Tee und Milch beharrt hätten? Hätte sich Figl allein betrunken? Es geht, denkt der Lemming, doch schließlich darum, die Distanz zu verringern, und nicht, sie zu vergrößern. Zeigen wir uns also solidarisch und lassen wir das Beuschel Beuschel sein …
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  Schloss Belvedere

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Anläßlich der Wiener Weltausstellung wurde das Hotel Metropol nach Plänen der Architekten Carl Schuhmann und Ludwig Tischler in den Jahren 1871-73 für die Wiener Baugesellschaft errichtet. In der zum Morzinplatz gewendeten Hauptfassade konzertierte sich eine Fülle architektonischer Ausdrucksmöglichkeiten der Epoche. Toskanische Säulen am Portikus, eine große Ordnung aus korinthischen Säulen, die teils überlebensgroßen Figuren als Stütze dienten, teils in paarweiser Anordnung das Gebälk von Flankenvorsprüngen trugen, und eine ädikulagerahmte Uhr inmitten einer vasengeschmückten Attikabalustrade verliehen dem Bauwerk große Plastizität. Der glasüberdachte Innenhof und ein reich ausgestatteter Speisesaal allgemein gerühmt. Das Gebäude wurde von einer Bombe getroffen und brannte aus, von den Fassaden wurde jedoch nur eine Hälfte der Gonzagagassenfront zerstört. Bekanntlich war das Hotel Metropol in der Zeit der deutschen Besatzung Sitz der Geheimen Staatspolizei; die Sprengung der Ruine diente vor allem der Austilgung eines Ortes der Gräuel. Der sogenannte Leopold-Figl-Hof entstand an jener Stelle zu einem Zeitpunkt, als das gestalterische Niveau im Bereich des stadtseitigen Donaukanalufers sich auf einem Tiefpunkt befand. Das vor dem Gebäude angepflanzte Gestrüpp bildete für Jahre die dazu passende Gartengestaltung.
pp 121 from Stadtbildverluste Wien - Ein Rückblick auf Fünf Jahrzehnte by Dieter Klein, Martin Kupf, Robert Schediwy

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Die Szenen verwischten sich, je weiter ich mich vom Belvedere entfernt hatte. Die Menschen erschienen mir grau und gereizt. Alle befanden sich in einem hektischen Zustand, als wären sie soeben vor den Kopf gestoßen worden. Ich erreichte in letzter Sekunde einen Omnibus mit Linienaufschrift. (...) Ich stieg vor dem Hilton aus, dem kleineren - es gibt zwei Hiltons in Wien - und wieder überlagerten einander zwei Erinnerungen. Die eine an einen Mann mit einem nachziehbaren Koffer, ein kleiner Mann mit Backenbart, doch ich war in Eile und ließ die Erinnerung hinter mir. Wie ein hund bellte sie mir nach riss an ihrer Kette. Die andere Erinnerung, die das Hilton betraf, war weniger abgeschmackt.
In der ersten ging es um eine Fotosession.
Sie können sich denken, wie das lief, und welche Art von Klamotten in dem Nachziehkoffer waren. Sie werden nicht mehr darüber erfahren.
Ich sprang in eine überfüllte U-Bahn zum Karlsplatz. Dorthin sind stets außergewöhnliche Figuren unterwegs. Mir gegenüber, ich hatte einen Sitzplatz ergattert, erklärte eine Passagierin in gedehnten Worten ihren beiden Kindern einen Führerschein. Der Junge durfte den Ausweis halten und sich das Bild ansehen. Das Mädchen kämpfte gegen die Müdigkeit, weshalb seine Mutter es ermahnte und ihm drohte, dass es allein zurückbleibe, falls es einschlafen sollte. Sie sprach über sich in der dritten Person. Sie bezeichnete das Führerscheinfoto als Bild "der blass und krank aussehenden Mama". Der Junge fragte, ob er den Führerschein haben könne, wenn die Mama gestorben sei.
Ich verließ beim Ausgang Resselpark den U-Bahn-Schacht und atmete kalte würzige Luft ein. Ich steuerte in die Argentinierstraße und betrat atemlos das Rundfunkgebäude.
pp 30-31 from Herzlos by Monika Wogrolly