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Die freudlose Gasse - pp 7

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Das Haus Nr. 55 in der Melchiorgasse, die sich im VII. Wiener Bezirk bis zum Gürtel erstreckt, entstammt der Jahrhundertwende. Wurde also zu einer Zeit gebaut, da Hausbesitzer sein einen Lebensberuf bedeutete. Man war Hausherr, wie man Advokat oder Fabrikant war. Die Frau des Hausbesitzers war Hausbesitzergattin, der Sohn ein Hausherrensohn. Unter allen Großstadtdrohnen war der Hausbesitzer die stärkste und brutalste. In anderen Städten war ein Haus sichere Kapitalanlage, in Wien oft ausschließlicher Erwerb. Es galt, aus einem Haus soviel Profit wie möglich herauszuschlagen, also mit schlechtem Material zu bauen, mit jedem Quadratzentimeter Raum zu sparen, Öfen aufzustellen, die nichts kosteten und auch nicht heizten, die Luft und das Licht in Kabinette zu verwandeln, aus einem Loch, das kaum für eine Speisekammer genügen würde, ein Schlafzimmer zu machen. Modernen Wohnluxus, wie ihn andere Städte haben, gab und gibt es in Wien nicht, er beschränkte sich auf einige Dutzend Mietpaläste, die nur für die ganz Reichen in Betracht kamen.
Das Haus Nr. 55 in der Melchiorgasse ist der Typus des neueren Wiener Miethauses mit finsteren Korridoren, stockdunklen Nebenräumen, abgestohlenen Badezimmern, schäbigem Talmiluxus und einer Fassade voll von abscheulichen, angeklecksten Ornamenten aus Kalk und Mörtel.
  Die freudlose Gasse
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  Melchiorgasse

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Im Trubel der Geschehnisse hatte Ralph den Vorsatz, sich für diese »Bereitschaft« zu interessieren, vergessen. Jetzt aber, losgelöst von hundert überflüssigen gesellschaftlichen Pflichten, in der Isoliertheit eines Menschen, der aufgehört hat, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, kam ihm die Erinnerung an den Aufsatz des A. P., der ihn damals so tief ergriffen hatte. Und er begab sich eines Tages ins Café Central und frug seinen Freund Kriegel, der mit stoischer Ruhe der ersten Aufführung seiner Judastragödie entgegensah, ob er Näheres über die »Bereitschaft« wisse.
Dr. Kriegel hob wortlos seinen schweren Oberkörper aus dem bequemen Lehnsessel, zog die Pfeife aus dem Munde, so daß das Lächeln, das die letzten Worte des Amerikaners begleitet hatte, noch deutlicher wurde, entschuldigte sich für einige Augenblicke und ging ans Telephon.
»18766 ...Hallo! Hier Kriegel! Lieber Freund, Sie müssen sofort ins Café Central kommen. Es handelt sich um die ›Bereitschaft‹. Ich erwarte Sie.«
pp 0 from Der Kampf um Wien by Hugo Bettauer

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Na und? Alles, was du erzählst, phantasierst, erfindest, sagt etwas über dich aus. Weil nur du es so erfinden kannst. Das ist das Objektive daran. Ich meine, ich bin keine Therapeutin, aber ich stelle mir vor, dass Therapeuten das so sehen: Du bist, was du erzählst.
Ja und nein. Der Marxer Keller.
Was ist damit?
Den hat es nie gegeben.
Du hattest gar keine Studentenwohnung?
Doch. Aber keine Souterrainwohnung. Glaubst du im Ernst, dass ich einen feuchten Keller miete, um von zu Hause wegzukommen? Ich hatte eine ganz normale kleine Wohnung im zweiten Stock.
In der Marxergasse?
Nein. In der Lassallestraße. Durch die Marxergasse fahre ich immer auf dem Weg zu Hannah.
Und warum hast du -
Das hast du doch gesagt: Ich bin, was ich erzähle! Vielleicht ist der Marxer Keller ein Bild dafür, wie ich mich damals gefühlt habe. Oder dafür, was ich fühle, wenn ich an damals denke. Die Lehrjahre der Lust. Irgendwie unter Tag. Dunkel. Feucht. Und nicht auf Augenhöhe mit dem sozialen Leben der anderen.
pp 75-76 from Don Juan de la Mancha by Robert Menasse