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Die Stadt ohne Juden - pp 91
Seltsame, mysteriöse Dinge ereigneten sich. Eines Morgens standen am Schottentor vor einer Litfaßsäule, desgleichen vor der Oper, am Stubenring und an anderen Plätzen Hunderte von Männern und Frauen vor kleinen, mit einem Reisnagel befestigten Plakaten im Oktavformat, die folgende Inschriften enthielten:
»Wiener, Oesterreicher! Rafft euch auf, bevor Ihr alle zugrunde gegangen seid! Mit den Juden habt Ihr den Wohlstand, die Hoffnung, die Zukunftsmöglichkeit ausgewiesen! Fluch den Volksverführern, die euch irregeleitet haben!
Der Bund wahrhaftiger Christen.«
Die Menschen lasen einander die frechen Worte vor, viele schimpften und behaupteten, daß Freimaurer das getan haben mußten, andere entfernten sich wortlos, wieder andere hatten den Mut, zustimmende Aeußerungen zu tun und die Anderssprechenden trotzig anzusehen.
»Wiener, Oesterreicher! Rafft euch auf, bevor Ihr alle zugrunde gegangen seid! Mit den Juden habt Ihr den Wohlstand, die Hoffnung, die Zukunftsmöglichkeit ausgewiesen! Fluch den Volksverführern, die euch irregeleitet haben!
Der Bund wahrhaftiger Christen.«
Die Menschen lasen einander die frechen Worte vor, viele schimpften und behaupteten, daß Freimaurer das getan haben mußten, andere entfernten sich wortlos, wieder andere hatten den Mut, zustimmende Aeußerungen zu tun und die Anderssprechenden trotzig anzusehen.
Near fragment in time
Im Trubel der Geschehnisse hatte Ralph den Vorsatz, sich für diese »Bereitschaft« zu interessieren, vergessen. Jetzt aber, losgelöst von hundert überflüssigen gesellschaftlichen Pflichten, in der Isoliertheit eines Menschen, der aufgehört hat, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, kam ihm die Erinnerung an den Aufsatz des A. P., der ihn damals so tief ergriffen hatte. Und er begab sich eines Tages ins Café Central und frug seinen Freund Kriegel, der mit stoischer Ruhe der ersten Aufführung seiner Judastragödie entgegensah, ob er Näheres über die »Bereitschaft« wisse.
Dr. Kriegel hob wortlos seinen schweren Oberkörper aus dem bequemen Lehnsessel, zog die Pfeife aus dem Munde, so daß das Lächeln, das die letzten Worte des Amerikaners begleitet hatte, noch deutlicher wurde, entschuldigte sich für einige Augenblicke und ging ans Telephon.
»18766 ...Hallo! Hier Kriegel! Lieber Freund, Sie müssen sofort ins Café Central kommen. Es handelt sich um die ›Bereitschaft‹. Ich erwarte Sie.«
pp 0 from Der Kampf um Wien by
Dr. Kriegel hob wortlos seinen schweren Oberkörper aus dem bequemen Lehnsessel, zog die Pfeife aus dem Munde, so daß das Lächeln, das die letzten Worte des Amerikaners begleitet hatte, noch deutlicher wurde, entschuldigte sich für einige Augenblicke und ging ans Telephon.
»18766 ...Hallo! Hier Kriegel! Lieber Freund, Sie müssen sofort ins Café Central kommen. Es handelt sich um die ›Bereitschaft‹. Ich erwarte Sie.«
Near fragment in space
Als sie in Wien aus dem Ankunftsbereich des Flughafens traten, fiel Annas Blick sofort auf Helmut Motzko, der wie ein erwartungsvolles Kind direkt an der Absperrung stand. »Guten Morgen, Herr Motzko. Darf ich vorstellen: Hauptkommissar Thomas Bernhardt aus Berlin.« »Guten Morgen, Frau Habel, guten Morgen, Herr Hauptkommissar.« Motzko schlug die Hacken zusammen, und wenn er überrascht war über die Berliner Begleitung, ließ er es sich zumindest nicht anmerken. »Wollen Sie zuerst nach Hause oder gleich ins Präsidium?« »Weder noch. Ich will an den Tatort. Sind die Spurensicherer noch zugange?« »Ich glaube schon. Herr Kolonja kommt auch gleich noch mal. Die aufgegriffene Frau schläft, man hat ihr ein Beruhigungsmittel gegeben.« »Wo hat man den Toten gefunden?« »In einem Innenhof des Lebensministeriums.« »Des was?« Bernhardt konnte ein Grinsen nicht verkneifen. »Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, kurz Lebensministerium genannt. Unser Toter, Werner Tollinger, 62, Ministerialrat, wurde gestern um circa 22 Uhr 30 von einem Wachmann im Ministerium am Stubenring aufgefunden. Er ist aus dem sechsten Stock gestürzt und war laut Dr. Schima sofort tot.«
pp 443-444 from Bis zur Neige - Ein Fall für Berlin und Wien by ,
