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Die Arbeit der Nacht - pp 57-
Mit schwarzer Farbe schrieb er in riesigen Buchstaben das Wort HILFE auf den Boden des Heldenplatzes.
Near fragment in time
Als Anna in der Berggasse angekommen war, klingelte ihr Handy. Die Büronummer. »Hey Robert. Ich bin ja schon im Haus. Ich geh nur noch schnell aufs Klo, dann komm ich hoch.« »Ich bin’s, Kratochwil. Frau Habel, machen Sie schnell. Es gibt was Neues.« Gabi Kratochwils Stimme kam leise und verhalten aus dem Telefon. Anna spürte die Aufregung der jungen Beamtin. »Ja, gleich. Ich komme.« Anna verzichtete auf die Toilette und rannte ins Büro. »Schauen Sie mal.« Gabi Kratochwil klebte fast an ihrem Bildschirm, und Anna zog sich einen Stuhl heran. Ein Schwarzweißfoto, darunter eine kleine Bildunterschrift. Karl-Heinz Poppe, zur Fahndung ausgeschrieben seit dem 25. März 1995. Besitzer eines Antiquariats in Berlin, Friedelstraße 45. Es wird vermutet, dass er circa zwei Jahre nach der Gründung in die Gruppe Revolutionärer Kampf eingetreten ist. »Jetzt schau’n Sie doch mal genau hin.« Anna konzentrierte sich und betrachtete das Gesicht des Mannes. Gabi Kratochwil hackte ein wenig auf der Tastatur ihres PCs herum, das Foto wurde kleiner, und daneben klappte das Bild Freddy Bachmüllers auf. Anna fiel es wie Schuppen von den Augen. Die hohe Stirn, die geschwungenen Lippen. Karl-Heinz Poppe trug einen fusseligen Bart und lange Haare, er blickte direkt in die Kamera, und seine Haut wirkte unnatürlich blass. Daneben Bachmüller. Haare kurz, Gesicht voller, die gleichen Lippen, es war eindeutig. Gesünder und attraktiver, doch ohne Zweifel: Vor ihnen lag zweimal das Porträt von Freddy Bachmüller alias Karl-Heinz Poppe. »Mensch, Frau Kratochwil, das ist der Hammer! Wo haben Sie das denn her?« »Da hat ein Herr Bernhardt aus Berlin angerufen, der hat irgendwas von einer DNA gesagt und dass sie jetzt eine Identität haben. Und dann hat er dieses Bild geschickt.« »Unglaublich. Ein untergetauchter Terrorist im Weinviertel. Ich fass es nicht. Wo ist denn Kolonja?« »Im Verhörzimmer mit Uschi Mader.« »Immer noch?« »Ja, die kam erst so spät hier an. Anzengruber hat sich ein wenig quergestellt.« »Tja, der arme Winkeladvokat hat wohl wenig Erfahrung mit Suchtgiftdelikten. Aber ich glaube, als Mordverdächtige können wir sie laufen lassen, das war ja wohl eine Nummer größer. Mailen Sie gleich mal alles, was Sie da aus Berlin bekommen haben, an Hofrat Hromada und – Frau Kratochwil?« »Ja, Frau Habel?«
pp 389-390 from Bis zur Neige - Ein Fall für Berlin und Wien by ,
Near fragment in space
Im Burghof hielt der gute Kaiser Franz seine schützende Hand über untreu gewordene Völker und verrichtete Herkules in vierfacher Ausführung ebenso viele Taten; aber das graue Licht, das den Bauten des Heldenplatzes so malerische Valeurs verlieh, bewirkte hier, im engeren Raum, das Gegenteil: Fade und hässlich wie Staub lag es über der schattenlosen Fassade der Reichskanzlei. Der Wachmann vor der Adlerstiege wischte das Schweißband seiner Kappe trocken. Tuzzi blickte zur Uhr im Türmchen des Amalientraktes auf: Erst Viertel nach acht. Viertel neun an einem Aptilmorgen, und so heiß! Wenn dieses Wetter anhielt, kam es schon im Mai, spätestens im Juni, zu einer Katastrophe mit Endgültigkeitscharakter.
Er überquerte den Ballhausplatz und erinnerte sich, daß gestern im Bundeskanzleramt der Ministerrat getagt hatte und die Überarbeitung des Kabinettsitzungsprotokolls sein Arbeitspensum beträchtlich vergrößern würde. Also beschleunigte er seine Schritte, nicht allzu heftig natürlich, sondern nur so, daß er einen kleinen Schweißausbruch eben noch vermied; solche Vorsicht war in diesen kreislaufgestörten Zeiten allgemeine Verhaltensweise geworden, auch vielfach ärztlich empfohlen. Doch nahm er sich auch heute die Zeit, ein paar Schritte von der schweigsamen Front des Haus-, Hof- und Staatsarchivs abzuweichen und einen kleinen Umweg durch die Spitzbogengallerie der Minoritenkirche zu machen. Dort nämlich, an der Südmauer dieser seit vielen Jahrhunderten von der italienischen Kolonie Wiens bevorzugten Kirche, sind Grabsteine aus einem aufgelassenen Friedhof angebracht, deren verwitterte Inschriften Tuzzi seit je in eigener Weise berührten:
THOMAE PVCCIO NOBILI FIORENTINO, der, als die Christen die Burg Gran angriffen, nach heftigem Kampf mit den Feinden die Seele Gott zurückgab, 40 Jahre alt im Jahre 1595 seit der Geburt des Herrn … MARCO ANTONIO RECASOLO, der sehr vornehme Florentiner, der aus einzigartiger Frömmigkeit für die Sache der Christenheit in das Kaiserliche Lager und wider die Türken zog … 21 Jahre, 10 Monate alt, starb er in Komorn am 1. November 1597 … AENEAE PICCOLOMINI, Herr von Sticciano in der Toskana, wurde im böhmischen Kriege im Lager des Kaisers getroffen im 33. Jahre seines Lebens am 16. August im Jahre des Heils 1619 … Seiner Gattin SUSANNA APOSSA ließ trauernd Johannus Paulus Fossatus aus Mailand dieses Grabmal errichten im Jahre 1589 …
pp 17-18 from Die große Hitze, oder die Errettung Österreichs durch den Legationsrat Dr. Tuzzi by
Er überquerte den Ballhausplatz und erinnerte sich, daß gestern im Bundeskanzleramt der Ministerrat getagt hatte und die Überarbeitung des Kabinettsitzungsprotokolls sein Arbeitspensum beträchtlich vergrößern würde. Also beschleunigte er seine Schritte, nicht allzu heftig natürlich, sondern nur so, daß er einen kleinen Schweißausbruch eben noch vermied; solche Vorsicht war in diesen kreislaufgestörten Zeiten allgemeine Verhaltensweise geworden, auch vielfach ärztlich empfohlen. Doch nahm er sich auch heute die Zeit, ein paar Schritte von der schweigsamen Front des Haus-, Hof- und Staatsarchivs abzuweichen und einen kleinen Umweg durch die Spitzbogengallerie der Minoritenkirche zu machen. Dort nämlich, an der Südmauer dieser seit vielen Jahrhunderten von der italienischen Kolonie Wiens bevorzugten Kirche, sind Grabsteine aus einem aufgelassenen Friedhof angebracht, deren verwitterte Inschriften Tuzzi seit je in eigener Weise berührten:
THOMAE PVCCIO NOBILI FIORENTINO, der, als die Christen die Burg Gran angriffen, nach heftigem Kampf mit den Feinden die Seele Gott zurückgab, 40 Jahre alt im Jahre 1595 seit der Geburt des Herrn … MARCO ANTONIO RECASOLO, der sehr vornehme Florentiner, der aus einzigartiger Frömmigkeit für die Sache der Christenheit in das Kaiserliche Lager und wider die Türken zog … 21 Jahre, 10 Monate alt, starb er in Komorn am 1. November 1597 … AENEAE PICCOLOMINI, Herr von Sticciano in der Toskana, wurde im böhmischen Kriege im Lager des Kaisers getroffen im 33. Jahre seines Lebens am 16. August im Jahre des Heils 1619 … Seiner Gattin SUSANNA APOSSA ließ trauernd Johannus Paulus Fossatus aus Mailand dieses Grabmal errichten im Jahre 1589 …
